Britta E. Buhlmann

 

Formale Übergriffe

 

 

Anmerkungen zu Arbeiten Mischa Kuballs in Würzburg

Kontinuität und Kontrast, Akzeptanz und Rebellion mag man das Programm überschreiben, das der Ausstellung „Deutscher Pavillion Würzburg“ von Mischa Kuball zugrundeliegt.

 

Mit drei Werk-Komplexen reagiert Kuball auf wesentliche architektonische Aspekte des Ausstellungsraumes im Erdgeschoß der Städtischen Galerie. Sein Projekt „Deutscher Pavillion“ von 1988 besteht aus zwei mal zwei Elementen, rohen Holzkonstruktionen, denen Projektoren eingebaut sind. Deren Diafolgen thematisieren zum einen Architektur der Moderne, andererseits tragen sie dazu bei, Methoden der NS-Architektur kritisch zu analysieren. Formal führen zwei der Projektionsgehäuse den Blick des Betrachters bzw. der Betrachterin auf den Boden, die beiden anderen nehmen die tragenden Säulen des Raumes als Projektionsfläche.

 

Doch nicht nur Fragen nach baulichen Traditionen und gestalteten Inhalten provoziert das Projekt – vielmehr spricht es auch mit Formen der Abstraktion, die der gebaute Gegenstand von seiner Errichtung bis zur Rezeption durch das Ausstellungspublikum durchläuft. Die Metamorphose des dreidimensionalen Bauwerkes beginnt mit seiner fotografischen Umsetzung, die den Gegenstand auf den planen Bildträger Film bannt, dessen Dimension der der Projektionsfläche (hier Boden) entspricht. Wer allerdings nicht allein mit der stark verzerrten und durch die Struktur des Bodens verunklärten Ansicht der jeweiligen Motive zufrieden ist, muß sich zu den Gehäusen hinabbeugen(!), um einen genaueren Eindruck der Projektionen zu gewinnen. Er erlebt dann, wie das Motiv an Wänden, Decke und Boden des Gehäuses zu neuer, wenn auch befremdlicher Dreidimensionalität zurückgeführt wird. Formale Revitalisierung und (bauliche) Inhalte gehen eine neue Verbindung ein, die gelegentlich abstrus wirkt, in anderen Beispielen aber durch karikaturhafte Überzeichnungen berechnete Wirkungsstrategien offenlegt.

 

Das Projekt „Sozialer Wohnungsbau“ von 1989 reflektiert anhand von vier resopalbeschichteten, jeweils 2,20 m hohen Stelen Fragen der Siedlungsarchitektur von 1930 bis heute und geht auch auf typische Ausstattungen der Innenräume ein. Farbgebung, Maße und Abstände der Stelen beziehen sich konkret auf Gestaltungsformen der 50er und 60er Jahre (die im Clubraum der Galerie quasi authentisch bis heute nachvollzogen werden können) und verbinden Innen- und Außenaspekte.

Der dritte Werkkomplex, das Mediendrama von 1987/89 stellt ebenfalls Verbindungen her von Außen- und Innenräumen. Es konfrontiert abstrakte geschlossene Strukturen (grafische Raster) mit variablen von Wellen übertragenen Sendebildern (eines Fernsehgerätes). Unterschiedliche Medien strahlen gleichzeitig verschiedene Nachrichten bzw. Informationen aus und vermitteln dabei zwischen Sender und Empfänger.

 

Mischa Kuball bezieht den Betrachter in all seine Werk-Komplexe ein; so beispielsweise durch rein physiologische Gegenwart, die im Falle des „Sozialen Wohnungsbaus“ zum Maßstab der Größenverhältnisse wird, beim „Deutschen Pavillion“, der erst vollständig erfahrbar ist durch unterschiedliche Standpunkte oder beim Mediendrama, das explizit Zeit erfordert, um die Abläufe der Projektionen wahrnehmen und überdenken zu können.

 

Kuballs Arbeiten gehen aus von Kontinuitäten und Abläufen im Rahmen gesellschaftspolitischer Entwicklungen, die sich u.a. in architektonischen Gestaltungsformen niederschlagen. Die Ausstellung wird zeigen müssen, ob es ihm gelingt, die durch äußere Beteiligung angeregte Aktivität der Betrachter auf den Bereich der Wahrnehmungsfähigkeit und Offenheit zu übertragen. In einer Stadt, die ihr durch Kriegseinwirkungen zerstörtes Gesicht langfristig neu zu gestalten hat, sollte das Experiment lohnen.

 

In: Deutsches Haus, Städtische Galerie Würzburg, 1989

Archive