Rupert Pfab

Mischa Kuball


Mischa Kuballs zentrales Medium ist das Licht. Dem Künstler zufolge hat es die Fähigkeit, Dinge aufscheinen, aber auch wieder verschwinden zu lassen. So arbeitet er unablässig mit scheinbar endlosen Varianten dieses Mediums, macht Projektionen, Licht-Raum-Installationen (1) und setzt Licht in allen nur denkbaren Erscheinungsformen ein. Kuball arbeitet mit Lampen wie auf der Biennale von São Paulo, wo er Menschen aller sozialen Schichten mit der immer gleichen Leuchte in deren Wohnungen aufnahm (2), oder verwandelt Architekturen wie das ehemalige Mannesmann-Hochhaus in Düsseldorf oder die Synagoge in Stommeln zu eigenständigen Lichtkörpern. Kuball bedient sich auch des natürlichen Tageslichts, wie sein einjähriges Projekt in der Johanneskirche in Düsseldorf gezeigt hat. (3)


Die beiden für die Ausstellung ausgewählten Arbeiten, die Diaprojektion Metaphases und Fotografien aus der 107teiligen Serie Utopie / Black Square 2001 ff. zeigen beispielbaft Kuballs methodischen Ansatz und sind kennzeichnend für sein gesamtes bisheriges Œuvre. (4)

 

Bei Metaphases hat Kuball Schriftsteller, Philosophen, Wissenschaftler und Künstler aus einem Buch herausfotografiert (5) und projiziert die Bilder nun mittels, eines Diaprojektors an die Wand. Vor der Projektionsfläche hängt eine ‚Linse, (6) die die Motiv an den übrigen Wänden des Raumes reflektiert und glichzeitig die ungestörte Betrachtung unterbricht. Anders als bei einem herkömmlichen Fotoabzug, dessen Betrachtungsdauer man üblicherweise selbst bestimmen kann, greift der Künstler hier, bewußt in die Rezeption ein, denn er gibt über die Projektionsintervalle nicht nur den Rhythmus der Betrachtung vor, sondern irritiert diese gleichzeitig durch die sich drehende Linse. Damit macht er deutlich, daß sich das Diabild, anders als beispielsweise ein Gemälde oder ein Print, aus Licht konstituiert, und das Bild sozusagen die Entfernung zwischen Projektor und Wandfläche zurückzulegen hat. Die Transformation des Lichtes ist ein entscheidendes Merkmal der Arbeit Metaphases, denn bei der Präsentation wird die aus einem Buch abfotografierte Reproduktion über die Lichtprojektion transformiert, und die Portraits werden damit wieder in den Raum zurückgebracht. Das Licht allein kann dabei nichts ausrichten, es muß mit transparentem Material, also mit dem Dia reflektiert werden, erst dann entsteht das ephemere Bild an der Wand.

 

Für die Werkgruppe Utopie hat Kuball Reproduktionen von Gemälden konstruktivistischer Künstler abfotografiert und vergrößert. Dabei sind seine Hände als Verweis auf seine Anwesenheit zum Zeitpunkt der Aufnahme sichtbar. Der breite schwarze Rand, den Kuball um die Fotos legt, wirkt wie ein Raumspiegel. Darin sieht er die Revaluierung des Kunstwerks, was durch sein »Eingreifen« mit den Händen zusätzlich betont wird. Diese sind es auch, die den Betrachter einbeziehen, denn sie geben Informationen über den Abstand zum abfotografierten Bild und evozieren Fragen über die Kamera-Anordnung während der Aufnahme.

 

Kuball fotografierte Reproduktionen und nicht originale Gemälde, wie die Lichtreflexe des Blitzes und die erkennbare Papierstruktur der  Bücher zeigen.

 

Das schwärze Quadrat, das der Künstler um die Aufnahmen legt, erinnert an das berühmte Gemälde von Malewitsch aus dem, Jahr 19l5.(7) Damit stellt Kuball die‘ Frage, ob. die Gemälde ihr gesellschaftsutopisches Versprechen, das sie zum Zeitpunkt ihres Entstehens vor und während der russischen Revolution gegeben haben, heute noch halten können, oder ob sie längst zu Handelswaren verkommen sind; Es geht ‚in ‚dieser Arbeit also um Bewertung, Umwertung und Neubewertung der konstruktivistischen Bilder.

 

Metaphases und Utopie haben bei aller Unterschiedlichkeit Schnittpunkte. Beide Werke arbeiten mit dem Aspekt von Kontextualisierung und Dekontextualisierung. Interessanterweise kann man hier Analogien zum Werk von Bernd und Hilla Becher feststellen, denn man sieht nicht allein das Objekt und kann sich auf die reine Form konzentrieren, sondern erhält auch Verweise auf den Kontext.

 

Kuball, der bereits in den siebziger Jahren mit dem Werk der Bechers, Ueckers und von Beuys in Berührung gekommen war und die unterschiedlichen Kunstströmungen in Düsseldorf erlebt hatte, reizt an der Kunst, daß sie alle Ressourcen verknüpfen und die Dimensionen des Psychologischen, des Soziologischen, des Politischen und des Architektonischen einbeziehen und befragen kann. Wenn man dann noch in einem öffentlichen Raum wie im Museum Themenzusammenhänge schafft, die man außerhalb dieser Räumlichkeiten nicht erzielen kann, dann sieht Kuball sein Ziel, Statements abzugeben, erreicht. Metaphases und Utopie sind demnach in dieser Ausstellung nicht nur autonome Kunstwerke, sie sind auch als Kommentar über und zur zeitgenössischen Kunst zu verstehen.

 

 

(1) Vgl. hierzu Armin Zweite, »MischaKuball refraction house«, in: Art Projects Synagoge Stommeln Kunstprojekte, hg. von der Stadt Pulheim, Gerhard Dornseifer u.a., Ostfildern-Ruit 2000, S.77-90.

(2) Mischa Kuball, Private Light/Public Light, Deutscher Beitrag zur 24. Biennale São Paulo,), hg. von Karin Stempel, Ostfildern-Ruit 1998

(3) Johanneskirche Düsseldorf, Mischa Kuball. Ein Fenster - Juni 2000 – Juni 2001, hg. von Thorsten Nolting, Köln 2001

(4) Da Mischa Kuball überwiegend ephemere Arbeiten macht, dient die Fotografie oftmals, auch zu Dokumentationszwecken, und die Rauminstallationen sind nur noch über das Fotodokument nachzuvollziehen, wobei diese Fotos meistens von anderen Fotografen erstellt werden.

(5) Die Aufnahmen hat Kuball aus dem Band von Paul Swiridoff, Portraits aus dem geistigen Deutschland, Pfullingen 1965; abfotografiert.

(6) Es handelt sich um eine Vergrößerungslinse, die für Fernsehgeräte sehbehinderter Menschen eingesetzt wird.

(7) Das Schwarze Quadrat von Malewitsch von 1915 mißt 78,5 x 78,5 cm, Kuballs Bilder messen 100 x 100 cm.

 

In: „heute bis jetzt. Zeitgenössische Fotografie aus Düsseldorf“, Katalog zur Ausstellung im museum kunst palast, Düsseldorf, 2002, S.70ff.

 

© All rights reserved by the author