Paul Virilio



Bunker Archäologie

 

- Eines der hervorstechenden Merkmale des Bunkers besteht darin, dass es sich bei ihm um eine der wenigen modernen monolithischen Architekturen handelt. Während die meisten Bauwerke durch ihr Fundament mit dem Grund verwachsen sind, besitzt der Bunker überhaupt keines; sein Schwerpunkt ersetzt es.

- In normalen Zeiten ein Anachronismus, scheint der Bunker in Friedenszeiten so etwas wie eine Überlebensmaschine wie das an den Strand gespülte Wrack eines U-Bootes zu sein. Es erzählt von anderen Elementen, von unglaublichem atmosphärischem Druck, von einer unbewohnbaren Welt.

- Das Ziel des Monöliths ist es nicht, den Jahrhunderten zu widerstehen, die Dicke seiner Wände deutet lediglich auf die zu erwartende Gewalt des Einschlags im Augenblick des Angriffs hin.

 

- Im Guss des Betons gibt es keine Zwischenräume, keine Nahtstellen mehr, alles ist kompakt; der durchgängige Guss verhindert in höchstem Maße Ausbesserungen, die diesen Zusammenhalt des Bauwerks schwächen würden.

- Der Bunker ist anwesender und abwesender Mythos zugleich geworden: anwesend als für eine transparente und offene zivile Architektur abstoßendes Objekt, abwesend in dem Maße, in dem sich die Festung von heute woanders befindet, unter unseren Füßen, von nun an unsichtbar.

- Der Bunker ... warnt uns weniger vor dem Gegner aus vergangenen Zeiten als vor dem Krieg von heute und morgen: vor dem totalen Krieg, dem überall vorhandenen Risiko, der Unmittelbarkeit der Gefahr, der großen Verschmelzung des Militärischen und des Zivilen, der Homogenisierung des Konflikts.

- Wenn man die zur Hälfte vergrabene Masse eines Bunkers betrachtet, dann schaut man in einen Spiegel und gewahrt das Spiegelbild unserer eigenen Todesmacht, unserer eigenen Destruktivität, das Spiegelbild der Kriegsindustrie. Die Funktion dieses so außergewöhnlichen Bauwerks besteht darin, das Überleben zu gewähr leisten, ein Schutzraum für den Menschen in einer kritischen Periode zu sein, der Ort, an dem er sich verkriecht, um weiterzuexistieren.

- Ich erinnere mich an eine Erwiderung, die ich vorbereitet hatte, um den Neugierigen zu antworten, die die Beweggründe für meine Nachforschungen in Erfahrung bringen wollten. Ich fragte sie, ob die Völker noch die Gelegenheit hätten, andere Kulturen zu erforschen, hierin eingeschlossen diejenige der Feinde, wenn es noch jüdische Ägyptologen gäbe. Die immer gleichlautende Antwort war: „Ja, aber das ist eine Frage der Zeit..., es muss Zeit vergehen, damit wir diese militärischen Monumente auf eine andere Art und Weise betrachten können.“


Paul Virilio. BUNKER ... ARCHÄOLOGIE.

München 1992

 

In: Mischa Kuball: urban context. Project. Bunker Lüneburg. Ed.: Hartmut Dähnhardt; Ruth Schulenburg 2000.

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