Refraction House

Armin Zweite, 2007

Die Arbeit gehört zweifellos zu den wichtigsten, die Kuball bisher realisieren konnte. Bereits der Ort seiner Intervention hat einen derart spezifischen Charakter, dass in diesem Zusammenhang kurz auf die Vorgeschichte von Refraction House einzugehen ist.

Stommeln, nordwestlich von Köln im Erftkreis gelegen und inzwischen zur Stadt Pulheim gehörend, hatte lange Zeit eine jüdische Gemeinde, die sich im frühen 19. Jahrhundert bemühte, ein eigenes Gebetshaus zu errichten. War es zunächst ein einfaches Fachwerkgebäude, so folgte 1882 ein schlichter neoromanischer Ziegelbau mit plastisch ausgebildeter Schauseite. Ein in gelben Steinen ausgeführter Davidstern ziert im Zentrum die dreiachsige Fassade mit Rundbogenfenstern, während ein aus Rauten gebildetes Zierband unter der Traufe den herausgehobenen Mittelrisalit mit Giebelaufsatz flankiert. Unter dem Druck des auch hier grassierenden Antisemitismus löste sich die jüdische Gemeinde bereits vor 1933 auf. Die Synagoge, wie so oft aus der Straßenflucht zurückversetzt und in einer zweiten Häuserzeile liegend, verkaufte man 1937 an einen Bauern, der sie dann als Scheune, Abstellraum und Stall nutzte. So wurde sie anders als die meisten Synagogen in der Pogromnacht nicht niedergebrannt, verfiel jedoch allmählich aufgrund der veränderten Nutzung, wobei die ursprüngliche Funktion und Bedeutung nach dem Zweiten Weltkrieg völlig in Vergessenheit geriet.

Das änderte sich erst, als Ende der Siebzigerjahre der Geschichts- und Heimatverein begann, das Schicksal der Stommelner Juden zu erforschen. Schließlich erwarb die Stadt Pulheim das Anwesen und machte das Haus 1983 nach einer durchgreifenden Restaurierung der Öffentlichkeit zugänglich. Ein gemischtes Programm von kulturellen Veranstaltungen regionalen Zuschnitts konnte auf Dauer nicht wirklich überzeugen, schließlich sollte die wiederhergestellte Synagoge an den Holocaust und damit an den unvergleichlichen Zivilisationsbruch erinnern, den das Nazideutschland begangen hatte. Einzelne Lesungen und kleine Konzerte konnten dem Anspruch an das Haus, als Denkmal und Mahnmal zu fungieren, nicht gerecht werden.

Den bald neu einsetzenden konzeptuellen Überlegungen gab der in Köln lebende Maler Walter Gies eine entscheidende Anregung, die insbesondere von Gerhard Dornseifer, dem zu früh verstorbenen Kulturdezernenten Pulheims, in die Tat umgesetzt wurde. So sollten sich bedeutende, international renommierte Künstlerinnen und Künstler mit dem Ort und seiner verschütteten Geschichte auseinandersetzen und mit einer spezifischen, auf das Innere der Architektur bezogenen künstlerischen Arbeit einen Dialog anstoßen. Eine derartige programmatische Neuorientierung zielte auf die Verknüpfung des Symbolischen mit dem Funktionalen, das heißt: auf die Verschwisterung von ästhetischer Erfahrung mit historischer Reflexion. Der künstlerische Impuls, so die hoffnungsvollen Überlegungen, würde über das jeweilige Werk hinausweisen und – wenn auch vermutlich nur indirekt – die Diskriminierung der jüdischen Mitbürger und die Shoah in Erinnerung bringen. Architektur, Geschichte und Kunst würden sich wechselweise aufeinander beziehen und sich damit von einem überhitzten Kulturbetrieb absetzen, der durch sein ständiges Überangebot einer allgemeinen Relativierung Vorschub leistete. Die als »Kunstraum« apostrophierte Synagoge verwies man auf den Weg der Reduktion: ein Ort – ein Raum – eine Arbeit. Und zudem beschränkte man jede Manifestation auf einen zeitlich begrenzten Rahmen von wenigen Wochen.

Überblickt man das seit Dezember 1991 verwirklichte Programm, dann stößt man in der Tat auf überwiegend weltberühmte Namen wie zum Beispiel Jannis Kounellis, Eduardo Chillida, Carl Andre, Rebecca Horn, Antoni Tàpies, Sol LeWitt und andere. Man sah in den zurückliegenden 15 Jahren eindrucksvolle Werke, in Ausnahmefällen jedoch auch Arbeiten, die in diesem Kontext wenig Sinn machten und evident werden ließen, dass es nicht immer zu einer genuinen Auseinandersetzung mit den besonderen Vorgaben und Erwartungen gekommen war. Ja, es kam im März 2006 sogar dazu, dass die Stadt ein vor allem skandalöses und auf Provokation angelegtes Projekt von Santiago Serra nach vielen Protesten abbrechen musste. Der als »Agent provocateur« bekannte Künstler beabsichtigte mit seinem Vorschlag der »Banalisierung der Erinnerung an den Holocaust« Einhalt zu gebieten. Aus diesem Grund verwandelte er das Innere der Synagoge buchstäblich in eine Gaskammer, die Besucher nur unter Polizeiaufsicht und mit Gasmaske betreten konnten. Doppelt gesichert, sollte so die Angst, ermordet zu werden, im Horizont einer partiell simulierten, partiell realen Gefährdung nachvollziehbar werden. Ein Einzelfall von extremer Zuspitzung, der indessen die Frage aufwarf, ob man wie bisher weiter ästhetisch verbrämend verfahren soll oder besser einer anderen Konzeption den Vorzug gibt, die auf Irritation oder Evokation unvergleichlicher Erfahrungen abheben könnte. Wie auch immer die Antwort letztlich ausfallen wird, rückblickend bleibt festzuhalten, dass vor allem in der Anfangszeit die programmatischen, speziell für die Synagoge konzipierten Projekte eine breite Resonanz fanden. Mischa Kuballs Arbeit »Refraction House«, Ende Februar 1994 realisiert und für zwei Monate gezeigt, gehört ohne Zweifel zu den herausragenden Werken der bis jetzt verwirklichten Werkreihe. Und es ist hinzuzufügen, dass die Arbeit in einem engen Zeitfenster und unter besonderen Vorgaben sowie in einem spezifischen Kontext auf den Weg gebracht und realisiert werden musste. Es spricht für den Künstler, dass er mit sicherem Gespür beziehungsweise mit einer klaren Konfiguration seines Vorhabens darauf reagiert hat.

Rekapituliert man in aller Kürze die Ausgangssituation, dann ist zu vergegenwärtigen, dass sich Mischa Kuball nicht nur mit der Geschichte der Örtlichkeit, dem Bau, der Umgebung und der Geschichte der jüdischen Mitbürger und den an ihnen begangenen Verbrechen bis hin zum Völkermord zu beschäftigen hatte, sondern eben auch mit den unmittelbar vorangegangenen Installationen. Richard Serras Skulptur, die von Ende April bis Mitte September 1992 zu sehen war, trug den Titel The Drowned and the Saved. Der Künstler spielte damit ganz unmittelbar auf Primo Levis unter dem gleichen Titel erschienenen, 1986 verfassten Bericht seiner traumatischen Erfahrungen in den Konzentrationslagern an. Für das unvorstellbare Leiden gab es auch bei Serra keinen adäquaten Ausdruck, und so blieb Serras Arbeit ganz auf sich bezogen und wurde vor allem als Manifestation vergegenwärtigter Leere und Stille verständlich.

Zwei massive stählerne Winkel formten in The Drowned and the Saved ein breitgelagertes Tor, wobei keines der Teile für sich stehen konnte. Nur indem sie sich gegenseitig stützten, bildeten sie eine skulpturale Analogie zu Levis Bild der Lebenden und der Toten, die aufeinander verwiesen und doch voneinander getrennt sind. Die abstrakte Arbeit wirkte hermetisch, entbehrte jeder konkreten Anspielung auf Trauer und Verlust, und veranlasste gerade deshalb den Betrachter, sich die Situation zu vergegenwärtigen, in der er die Skulptur wahrnahm. Es war eine Form der Selbstvergewisserung, wenn der Betrachter die sich aufdrängenden Fragen zu beantworten suchte: Wo bin ich? Wer war hier? Was geschah? Wer bin ich selbst? Es war die Mutter Serras, die dem Fünfjährigen 1944 seine jüdische Identität offenbarte. »So wuchs ich in einer Atmosphäre von Furcht und bewusster Täuschung, von Verlegenheit und Verwirrung, von Selbstverleugnung auf. Ich wurde gelehrt, nicht zuzugeben, wer ich war, nicht zuzugeben, was ich war.« Die Plastik sprach an ihrem Ort nicht von Täuschung, Verwirrung oder Selbstverleugnung, sondern im Gegenteil von Wahrhaftigkeit, von Offenheit und Autonomie. Das stählerne Tor, durch das man nicht gehen und das man nicht übersteigen konnte, eröffnete eine individuelle ästhetische Erfahrung und stimulierte eine geschichtliche Erinnerung, die an Form und Materialität der Skulptur gebunden erschien, vor allem jedoch vom Verhältnis von Skulptur und Raum und von der Örtlichkeit selbst ausgelöst wurde.

Ganz anders wirkte die Arbeit von Georg Baselitz: Das Bein, ein gelb eingefärbtes, auf einen Sockel montiertes, roh aus Holz gehauenes Körperfragment, stand von Ende März bis Ende Juli 1993 in der Raummitte und verwies auf

die Verletzlichkeit des menschlichen Körpers und seine Hinfälligkeit. Schwankend zwischen Zeichenfunktion und expressivem Duktus, wie er sich vor allem in der rissigen Oberfläche, der kaum differenzierten Gestalt von Unter- und Oberschenkel und dem offensichtlich sehr kleinen Fuß aussprach, machte diese autonomen Skulptur nicht den Eindruck, der Künstler habe sich explizit auf die besondere Örtlichkeit einlassen wollen oder können. Baselitz' delirierendes »Nein«, das ein entsprechendes Statement prägte, musste man damals als kongruent zu seiner Plastik empfinden, so als wollte er deutlich machen, dass die Kunst auf eine solche Situation nicht angemessen zu reagieren vermag. Man hatte indessen in der Synagoge kein Zeichen der Ohnmacht vor sich, sondern eines, das kraftvoll und selbstbewusst die absolute Autonomie des Künstlerischen signalisierte und jeglichen Verweis auf die historische Bedeutung des Ortes seiner Aufstellung negierte.

The Drowned and the Saved von Serra bezog sich in Material, Charakter, Form, Proportion und Position auf die Situation in Stommeln, war indessen nicht ortsspezifisch und knüpfte eine relativ lockere Verbindung zwischen der Plastik und dem Raum der Synagoge. Aufgestellt in einem neutralen Ambiente, dürfte die Arbeit freilich nur eine begrenzte Geltung und Wirkung entfalten. Ob dem so ist, wird sich zeigen, wenn sie im Kolumba, dem Diözesan-Museum in Köln, gezeigt wird. Beim Bein von Baselitz liegen die Verhältnisse grundsätzlich anders. Die Plastik behauptete strukturell jedenfalls ihre Unabhängigkeit, verwies nur auf sich selbst und büßte nichts von ihrer Qualität ein, weder in der Synagoge noch andernorts. Die Instrumentalisierung im Rahmen einer Mahn- und Gedenkstätte blieb letztlich vordergründig. Genau das hatte offenbar auch Baselitz empfunden, sodass man seinen Kommentar als Ablehnung jeder historischen Konnotierung zu verstehen hat.

Baselitz und Serra sind etwa gleichaltrig und waren am Ende des Zweiten Weltkriegs 7 beziehungsweise 6 Jahre alt. Von allen sonstigen Unterschieden der Herkunft, der Ausbildung und persönlicher Erfahrungen einmal abgesehen, gehören sie doch einer Generation an. Mischa Kuball ist 20 Jahre später geboren und in den 1960er- und 1970er-Jahren aufgewachsen. Seine Lebenserfahrung ist eine andere und auch seine Einstellung gegenüber der Kunst ist offensichtlich nicht mit der von Serra und Baselitz zu vergleichen. Und diese fundamentalen Unterschiede zeichnen sich auch in seiner Arbeit für die Synagoge in Stommeln ab.

In einer brieflichen Mitteilung an den Verfasser vom Juli 1992 – Serras Skulptur war damals in Stommeln zu sehen - skizzierte Kuball sein Konzept, und auch der Titel Refraction House stand bereits fest. Mit dem Terminus »refraction« wird bekanntlich eine Brechung, eine Richtungsänderung bezeichnet, die eine Welle erfährt, wenn sie von einem Stoff in einen anderen übertritt. Licht, das durch Glas fällt oder auf eine Mauer trifft, ändert seine Richtung beziehungsweise wird reflektiert. Es handelt sich um ein optisches Phänomen, wobei Kuball den Begriff von Anfang an auch metaphorisch verstanden wissen wollte. So ist bereits im Entwurf von 1992 vom »überstrahlenden Licht der Synagoge« die Rede, »das auf die umliegenden, die Synagoge verdeckenden Häuser trifft wie eine verdeckte Anklage [...]« Die Arbeit zielte auf Änderung des Bewusstseins, unseres Bewusstseins, des Bewusstseins derjenigen, die Kuballs Installation erlebten und sich mit ihr auseinandersetzten. Im Juli 1993 war das definitive Konzept ausformuliert: »Die Synagoge in Stommeln in gleißendem Licht – Konturen auflösend, nahe einer Ent-Materialisierung, hin zu einer Vergeistigung, weckt per Licht/Architekturplastik den spirituellen Geist; die Synagoge bleibt für den Zeitraum des Projekts (Monate Februar/März bevorzugt) verschlossen, nicht betretbar und nicht nutzbar, existiert nur noch als gedanklicher ›Körper‹, ohne funktionsgebundene Architektur; das überstrahlende Licht der Synagoge – erzeugt mit Hochleistungsscheinwerfern – trifft aus der Synagoge auf die umliegenden Häuser, die das Gebäude eng umschließen, verdecken, schützen, wie eine Anklage auf potent. Mitwisser- und Mittäterschaft. Als das Konzept im Juli 1992 entwickelt wurde, war die öffentliche Präsenz von politischer, gesellschaftlicher Gewalt noch nicht abzusehen, die sich interessanterweise vermehrt der Lichtmetaphorik bedient – Licht als Erkenntnis, wie beim Hl. Augustinus oder als Symbol der Zerstörung, in den Pogromen, den Bücherverbrennungen; REFRACTION HOUSE versucht der verrohenden Verunsicherung durch Utopieverlust nicht mit Objekten oder neuen Bildern zu begegnen, sondern an die geistigen, immateriellen und ideellen Potenziale unserer gemeinsamen Kultur anzuknüpfen.« Für die gedruckte Form, wie sie dann in der begleitenden Publikation von 1994 zu finden ist, hat Kuball an diesem Text einige Modifikationen vorgenommen. Die wichtigste ist darin zu sehen, dass er das aus der Synagoge hervorbrechende und die umliegenden Gebäude anstrahlende Licht nun nicht mehr »wie eine Anklage auf potent. Mitwisser- und Mittäterschaft« verstanden wissen wollte. Der moralische Aspekt seiner Arbeit konnte, soviel wurde dem Künstler klar, nicht mit der Lichtwirkung allein verbunden werden. Bekanntlich hat das Licht als Energieform und objektive Erscheinung der Natur weit über seine sichtbare Erscheinung hinaus grundlegende Bedeutung für alles Leben auf der Erde. Seit alters her wurde es als Metapher für die Intelligibilität von Sein und Wirklichkeit beziehungsweise Wahrheit und für die Erfahrung der Evidenz verstanden. Und so konnte man Erkenntnis als Weg aus der Dunkelheit ins Licht begreifen. Das natürliche Licht der Sonne wurde über Jahrtausende hinweg durch künstlich geschaffene Derivate des Feuers in Gestalt von Fackeln, Kerzen, Öl- und Gaslampen ergänzt, bevor mit Erzeugung und Nutzung von Elektrizität eine neue Stufe der Erhellung der Lebenswelt möglich wurde. Die Doppelpoligkeit von Leuchten und Brennen, von Aufklären und Zerstören, auf die Kuball explizit anspielt, war zu Beginn der Neunzigerjahre besonders virulent, nachdem an verschiedenen Orten Deutschlands Asylantenheime und Häuser und Wohnungen ausländischer Mitbürger durch Brandstiftung in Flammen aufgingen. Dass hier vielfach rechtsradikales Gedankengut solche Verbrechen mit Todesfolge entscheidend motiviert hatte, lag auf der Hand. Die künstlerischen Arbeiten für Stommeln wurden auch in diesem tagesaktuellen Kontext wahrgenommen und erörtert. Kuball war das selbstverständlich bewusst, aber es spricht für sein Augenmaß, dass er in seinem Statement von einer direkten Koppelung seiner Installation mit moralischen Vorhaltungen Abstand nahm. Um Anklage zu erheben, reichte ganz offenbar der metaphorische Einsatz des Lichts nicht aus. Nur eindeutige Motive, Zeichen und Symbole hätten eine solche Zielrichtung seiner Arbeit evident machen können. Mit seiner Erinnerungsarbeit über das Denkmal der Synagoge Stommeln bewegte sich Mischa Kuball im sozialen Bereich unserer Lebenswelt. Wie schon im Herbst 1990 bei der frappierenden Umwandlung des Mannesmann-Hochhauses in ein Megazeichen oder wie bei der 2 Jahre später realisierten Lichtbrücke am Bauhaus handelte es sich auch in diesem Fall um eine temporäre Installation. Während sich in Düsseldorf die Architektur vorübergehend in eine mächtige Lichtskulptur verwandelte, die die nächtliche Stadtsilhouette dominierte und zu einem großen urbanen Zeichen wurde, das viele Menschen vor allem von den Rheinbrücken und vom Oberkasseler Ufer aus wahrnahmen, diente in Dessau eine Außenwand der Inkunabel modernen Bauens für etliche Abende als Projektionsfläche geometrischer Zeichen. Auf sinnfällige Weise gelang es Kuball, einerseits zwar den Denkmalanspruch des Bauhauses zu untergraben, aber andererseits dessen utopische Programmatik hervorzukehren. Es ist diese so pointiert ausgespielte Ambivalenz, die beide Arbeiten aus dem Bannkreis des nur Abstrakten und nur Konzeptuellen herauslöst und ihnen einen spezifischen Stellenwert verleiht. Und im Spannungsfeld dieser beiden bemerkenswerten Arbeiten Kuballs ist auch sein Refraction House anzusiedeln. Spätere Arbeiten nahmen unmittelbar Bezug auf seine Installation in der Synagoge. Bei Projektion/Reflektion, im Herbst 1995 für die Kunststation St. Peter in Köln verwirklicht, verlegte Kuball die Lichtquellen von innen nach außen, sodass das künstliche Licht in Ergänzung zum Sonnenlicht durch die bemalten Glasfenster ins Innere drang und dort teilweise durch große Spiegel unter den Fensterbänken reflektiert wurde. Das Licht bekam hier die Fähigkeit zur säkularen Epiphanie. Auch Greenlight, 1999 in Montevideo realisiert und das Verlöschen der Spuren jüdischer Einwanderung und jüdischen Lebens in der Calle de la Democracia aufzeigend, müsste in diesem Zusammenhang erörtert werden. Das gilt auch für den leider nicht verwirklichten Entwurf Sprach Platz Sprache, den der Künstler 1999 für das ehemalige Gauforum in Weimar vorgesehen hatte. Und in die Betrachtung wäre last but not least Schleudertrauma einzubeziehen, eine komplexe Arbeit mit rotierenden, Schwindel erregenden und desorientierenden Bildern, die Kuball für den Kunstverein Ruhr entwickelte und die im Jahre 2000 in dem entsprechenden Ausstellungsraum der Essener Synagoge unter dem leeren Thoraschrein gezeigt wurde. Alle diese Arbeiten beziehen sich auf die deutsche Geschichte der Nazi-Zeit, und sie erinnern an die Verbrechen an den jüdischen Mitbürgern. Es ist das deutsche Trauma, das sich in diesen Werken auf unterschiedliche Weise artikuliert, wobei Kuball jedoch stets ein abstraktes Formenvokabular und eine konzeptuelle Arbeitsstrategie zugrunde gelegt hat. Es gibt keine narrativen Aspekte, nur wenige emotionale Komponenten, kaum dokumentarische Verweise in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeit selbst oder gar die Evokationen von Unmittelbarkeit. Alles bleibt auf Distanz, ein kühles Arrangement bestimmt den anschaulichen Charakter dieser Werke. Das limbische System wird nicht stimuliert, eine Verankerung der ästhetischen Erfahrung im Gefühl bleibt weitgehend ausgeblendet. Aber so rational die Konfiguration jeweils auch erscheinen mag, die Arbeiten bestechen durch ihre Qualität und innere Konsequenz und ihren distanzierenden und zugleich aufklärerischen Impuls. Es ist erstaunlich, wie jemand der lange nach Ende des Zweiten Weltkriegs geboren wurde, der 5 Jahre alt war, als in Frankfurt die Auschwitz-Prozesse begannen, der den Historikerstreit als Student mitbekommen haben mag, sich derart konsequent und wiederholt mit dem deutschen Thema, mit der engen Verquickung von Kultur und Barbarei befasst hat. Und dass die Dialektik der Aufklärung viele seiner Überlegungen grundiert, erscheint ohnehin evident. Die Thematik des Holocaust durchzieht das Œuvre von Mischa Kuball jedenfalls und lässt es in Zeiten der Postmoderne den von Amnesie befallenen Zeitgenossen als obsolet erscheinen. Im Hintergrund aller genannten Werke und auch etlicher anderer steht die Frage, wie und an was man sich jetzt und zukünftig in Deutschland erinnern wird. Bei aller ästhetischen Zuspitzung geht es Kuball um die Verifikation einer Ethik des Gedenkens, die die Deutschen annehmen und die auch die Juden respektieren können. Im Nachhinein lässt sich daher sagen, dass Refraction House in mehrfacher Hinsicht als eines der Schlüsselwerke im Schaffen Mischa Kuballs zu betrachten ist ist. Abgesehen davon ist es eine der aufschlussreichsten Arbeiten, die in den Neunzigerjahren zu diesem thematischen Komplex geschaffen wurden, vergleichbar eigentlich nur mit Hans Haackes Intervention von 1993 im deutschen Pavillon der Biennale von Venedig. Wie seinerzeit das Mannesmann-Hochhaus in Düsseldorf erstrahlte 1994 das Gebäude der Synagoge in Stommeln von innen, hier allerdings sehr viel intensiver, so als sollte das Zeichen sich selbst überblenden. Und ähnlich wie in Dessau traf das Licht benachbarte Häuser, war indessen so gestreut, dass Mauern und Zäune, Bäume und Büsche lange Schatten warfen. Bezeichnenderweise legte die Einladungskarte zur Betrachtung der Installation in Stommeln die technischen Voraussetzungen der Intervention offen. Diese Doppelkarte war die erste Information, die potenzielle Interessenten erhielten. Und sie erschien einigermaßen irreführend, da man zu einer »Ausstellung« eingeladen wurde. Das Bild auf der Vorderseite zeigte jedenfalls einen Innenraum, von dem man annehmen musste, dass es sich um den Ausstellungsraum handelte. Zu sehen war Folgendes: Am Gestänge eines im Inneren der Synagoge stehenden Baugerüsts waren jeweils drei starke HQI-Strahler auf die fünf Rundbogenfenster gerichtet, während sich Kuball für die Lünette über dem Thoraschrein mit einem solchen Scheinwerfer begnügte. War die Arbeit ursprünglich auf 180 000 Lumen hin konzipiert, so musste sich Kuball aus technischen Gründen mit »nur« 33 000 Lumen zufrieden geben. Das hatte zur Folge, dass man bei Dämmerung in die Synagoge hineinsehen konnte, was der Künstler eigentlich vermeiden wollte. Die Silhouette aus Stangen und Kabeln, Lampen und Transformator vor den beiden ganz in Helligkeit ertrinkenden Wänden, wie sie die Einladungskarte zeigt, blieb jedoch den Blicken der Betrachter entzogen, denn die Synagoge war während der Laufzeit des Projektes nicht zu betreten. Das Innere des Baus war somit von der ästhetischen Erfahrung des Außenraums abgekoppelt, aber der Künstler machte durch die bildliche Information seiner Einladung deutlich, wie er den vor allem nachts überwältigenden Effekt erzeugt hatte. Fotos vermitteln von der Suggestion der aus dem Inneren brechenden Strahlkraft nur einen unzureichenden Eindruck. Vor allem den enormen Kontrast von Blendung und Finsternis kann keine Aufnahme auch nur annähernd wiedergeben. Was man nämlich in situ unmittelbar wahrnahm, war ein Doppeltes: einerseits die Entkörperlichung der Architektur und die gleißende Emanation weißen Lichts, andererseits grelle Beleuchtung und tiefe Verschattung der Umgebung. Die Erfahrung konkreter Dinglichkeit verschränkte sich mit dem Eindruck des Unwirklichen. Wege, Bäume, Mauern, Dächer, Fenster schienen ganz gegenwärtig und zugleich merkwürdig distanziert, fremd und substanzlos. Ende Februar und Anfang März erschien ohnehin alles in dunklen, unfarbigen Tönen. Räumliche Zusammenhänge zerrissen in fragmentarische Eindrücke. Die so intensive Ausleuchtung schien alles zu zerlegen und optisch in disparate Details zu zersprengen. Nur das Bewusstsein des physischen Kontinuums und die Erinnerung an den tagsüber schon oft beschrittenen Weg von der Hauptstraße zur Synagoge minderten den Eindruck des Aufgelösten und gegeneinander Isolierten. Weil man manchmal nicht sah und nicht wusste, wohin man trat, war man verunsichert. Weil man in dem wenigen – ein unzugänglicher, überhell erleuchteter Innenraum – keine manifeste Botschaft fand, war man irritiert. Weil die Intervention nichts über den Künstler verriet und sein schöpferisches Talent sich nicht in Gesten und spontan anmutenden Formen manifestierte, fühlte sich mancher Besucher ernüchtert. War das etwa alles? Verunsicherung, Irritation und vielleicht sogar latente Enttäuschung verwiesen den Betrachter von Synagoge und ihrer Umgebung auf sich selbst. Hatte diese Konfiguration aus Gegensätzen überhaupt einen Sinn oder erschöpfte sie sich in einer auf grellen Effekt angelegten Inszenierung ephemeren Charakters?

Vilém Flusser hat in seinem phänomenologischen Essay Wände auf einen indogermanischen Wortstamm »h...l« hingewiesen, dessen Bedeutung beide Extreme des sakralen Komplexes umfasse: »Heil und Hölle«, »Helle und Höhle«, »whole und hole«. Wände, so Flusser, würden uns vor die Wahl stellen, entweder aus ihnen heraus zu schreiten, um die Welt zu erobern und sich dabei zu verlieren, oder in ihnen auszuharren, um sich selbst zu finden und so der Welt verlustig zu gehen. Für Flusser wird die Undurchsichtigkeit der Wände geradezu zur Bedingung des Menschen beziehungsweise zur Voraussetzung, unter denen das Religiöse überhaupt erst zur Entfaltung kommen könne. Auch wenn man Flusser nicht bis ins Detail zustimmen mag, Kuballs Eingriff, der sich vor allem nachts zur vollen Wirksamkeit steigerte, machte deutlich, wie die gleichsam entstofflichten Wände aus Licht und Schatten die paradoxe Illusion nährten, als wären innen und außen vertauscht. Refraction House nämlich machte seine Umgebung zur Bühne, auf der uns eine doppelte Identität zufiel: als Passanten und angereiste Kunstliebhaber waren wir Akteure und Beobachter in einem. Wir standen im Hellen und warfen Schatten, wir sahen und wurden gesehen. Und mit zunehmender Dunkelheit traf das Licht nun immer stärker auch die Anwohner: passive Mitakteure, ohne deren Bereitschaft, sich dem grellen Schein auszusetzen, das Projekt nur eine unverbindliche Idee geblieben wäre. Anders nämlich als in Dessau brach die intensive Strahlung nicht in unbelebte Arbeitsräume, sondern teilweise in die Zimmer der Anwohner und verwandelte deren private Sphäre buchstäblich in eine halböffentliche. Den lebenden Bildern der Nacht würde während des Tages der Austausch in Form eines Dialogs mit den Anwohnern folgen, so die unausgesprochene Hoffnung. Was im urbanen Umfeld einer Metropole zu einer lebendigen Resonanz hätte führen können, rief freilich in Stommeln erwartungsgemäß nur ein begrenztes Echo hervor. Dass die Reaktion so verhalten ausfiel, hat möglicherweise noch einen anderen Grund. Die Mauern, die die Bürger in ihren Häusern schützen, waren aufgrund der Fensteröffnungen partiell durchlässig. Infolge von Kuballs Intervention war aber das Fenster kein Instrument mehr für den Blick von innen nach außen, sondern für den Blick von außen nach innen. Für die Betroffenen sicherlich eine unangenehme Erfahrung, sich derart angestrahlt und quasi durchleuchtet zu finden, aber vielleicht war es in den Augen Kuballs so etwas wie ein erster Vorgriff auf ein schöpferisches Haus als Knoten des zwischenmenschlichen Netzes, von dem Vilém Flusser schwärmte. Eine dach- und mauerlose Architektur würde, so Flusser, weltweit offen stehen und das Dasein verändern. Die Leute müssten sich nirgends mehr ducken und es bliebe ihnen nichts übrig als einander die Hände zu reichen. Was wie eine surreale Phantasterei anmutet, erweist sich so als Ausfluss einer herrschaftsfreien Sozialutopie, von der höchst zweifelhaft ist, ob sie denn wünschenswert wäre. Dass Flusser Wände und Mauern unterschiedlich konnotiert, macht seine Reflexionen nicht plausibler. Diese Anmerkung ist selbstverständlich nicht als Einwand gegen die Konzeption des Künstlers zu werten – das versteht sich wohl von selbst. Immerhin wirft der kleine Exkurs die Frage auf, ob ein überaus starkes Licht die Transmission vom Metaphorischen ins Funktionale wirklich zu leisten vermag, und wenn dem so ist, ob das auch in einem so kleinstädtischen, ja beinahe dörflichen Ambiente wie in Stommeln manifest werden kann.

Kuball dürfte die Einsichten Flussers, den er persönlich kannte und dessen Schriften er gelesen hat, zumindest in einer Hinsicht teilen: Wenn nämlich das Licht der Synagoge in die Wohnungen dringt und so das Denkmal beziehungsweise Mahnmal mit der Sphäre des Privaten über Wochen hin in Beziehung setzt, dann ist darin ein Versuch zu sehen, die ästhetische Intervention, wie sie Kuball mit Refraction House vorgenommen hatte, aus ihrem praxisfernen und unpolitischen Ghetto zu befreien. Als restlos ausdifferenzierte hat die Kunst kaum Möglichkeiten, auf unser Verhalten zu wirken. Kuball möchte ja nicht nur etwas zeigen und das Gezeigte im Unverbindlichen belassen, sondern er möchte über das Moment der Aufklärung auf das Verhalten der Rezipienten einwirken, möchte die Betrachter nicht nur motivieren, sich zu erinnern, sondern auch dazu bewegen, toleranter zu werden, engagierter und offener, moralischer und couragierter. Ein solches Anliegen liest sich bei Flusser dann so: »Da Ästhetik (Erleben) und Ethik (Verhalten) niemals unabhängig voneinander sind, müssen Kunstwerke, gerade weil sie unser Erleben zu modellieren vermögen, wieder nach der Jahrhunderte langen Kastrationsperiode auch zu Verhaltensmodellen werden [...] Das Kunstmachen muss technisiert und theoretisiert, und die Technik ästhetisiert, also erlebnisnah werden.«

Für einen begrenzten Zeitraum suchte Kuball mit seiner Arbeit »Refraction House« die soziale Situation in Stommeln neu zu definieren. Indem er ein Spannungsfeld um das Denkmal schuf, artikulierte er den Widerspruch zwischen der Banalität des Alltags und der historischen Bedeutung dieses besonderen Ortes, zwang indirekt Normalität und Schrecken zusammen, ließ unmittelbar Gewohntes in Lästiges übergehen, verschränkte aber auch, wenngleich indirekt, die Gewalttaten gegen Minderheiten im Gefolge der barbarische Ereignisse von Mölln, Rostock, Hoyerswerda und Solingen mit der Erinnerung an die historische Schuld der Deutschen, wie sie sich im Verlöschen einer jüdischen Gemeinde und der banalisierenden Zweckentfremdung der Synagoge manifestiert.

Es entbehrt dabei nicht pointierter Zuspitzung, wenn sich der Künstler bei seiner Installation eines Mittels bedient, das in Form Speer'scher Lichtdome während des Dritten Reiches zum Synonym für die Ästhetisierung von Gewalt wurde. Aber es versteht sich von selbst und bedarf keines weiteren Kommentars, dass Kuball völlig anders vorgeht und absolut konträre Absichten verfolgt. Weder senkrecht gebündelt noch parallel in den Himmel ausgerichtet, kann das Licht hier nicht als Verherrlichung von Macht missverstanden werden. Im Gegenteil: Durch mehr oder minder horizontale Ausrichtung, durch Brechung und Beugung fungiert das Licht als Mittel der Aufklärung und geistigen Durchdringung. Nicht die Suggestion des Erhabenen, das den Einzelnen klein und ohnmächtig macht, wird hier zelebriert, sondern vielmehr ein Licht verwendet, in das man sich buchstäblich stellen kann und das einen zum Objekt der Beleuchtung, vielleicht sogar der Erleuchtung, jedenfalls zu einem Subjekt des Fragens macht.

Kuball realisierte seine Arbeit nur für einige Wochen. Im ephemeren Charakter und in der Tatsache, dass von Refraction House kein materielles Substrat in Holz, Stein oder Stahl übrig blieb und zum Handelsobjekt mutierte, lagen konträr zum Augenschein Chancen für das immaterielle Überdauern eines ortspezifisches Kunstwerks als fotografisches Dokument. Widerstand gegen visuelle Entropie und Arbeit an der Geschichte kristallisieren sich für Kuball zumeist nicht in stabilen Formen traditioneller Gattungen. Das gilt zumal für die Arbeit Refraction House, die einen Dialog mit einem bereits bestehenden Denk- und Mahnmal intendierte. Nicht inhaltliche Verdoppelung, emotionale Intensivierung oder ästhetische Kommentierung jener Momente von Trauer und Reue, Mahnung und Gedenken, die der Synagoge eingeschrieben sind, hatte der Künstler beabsichtigt, sondern Intensivierung einer Botschaft aus Verzweiflung und Hoffnung bei gleichzeitiger Versachlichung, intellektueller Durchdringung und reflektierter Aneignung mit latenter emotionaler Verankerung.

Statt der Wendung nach innen, wie sie auf jeweils unterschiedliche Weise Jannis Kounellis, Richard Serra, Georg Baselitz, Rebecca Horn und andere vollzogen, indem sie museale Präsentationsformen wählten, begegnet uns bei Mischa Kuball der entschiedene Schritt nach außen ohne vordergründige Aktualisierungen. Das immateriellste Medium, über das die bildende Kunst verfügt, nutzte er für den temporären und vor allem nachts wirksamen Versuch, den wiederhergestellten, freilich säkularisierten jüdischen Kultraum in seine gebaute und belebte Umgebung einzubinden und gleichzeitig zu isolieren. Im gebrochenen Licht rückte das prosaische Ambiente in eine Perspektive, die es mit der Geschichte verknüpft, und zwar einer sowohl ortspezifischen als auch einer nationalen, die mit dem Stigma des Versagens, Wegsehens und Verdrängens gezeichnet ist. So wendet sich bei Kuball die Kunst nicht zu sich selbst zurück, bleibt nicht abstrakt und distanziert sich auch nicht vom empirischen Leben. Statt subjektivistischer Selbstbespiegelung transzendiert seine Arbeit Refraction House die Bedingungen ihrer historischen Möglichkeiten. In zeitlich begrenztem Rahmen weitet sich die Arbeit zwar latent ins Soziale aus, ohne indessen konkrete Vorgaben zu machen, besondere Tatbestände zu akzentuieren oder auch nur im Entferntesten eine Anklage erheben zu wollen. Bezeichnenderweise unterscheidet sich das gedruckte Konzept, wie wir sahen, von seiner ursprünglichen Fassung durch den Wegfall der implizierten Anklage gegen Mitwisser und potenzielle Mittäter. Das Licht, so wie Kuball es in diesem Fall einsetzt, ist Bezeichnendes und Bezeichnetes zugleich. Es leuchtet nicht etwas aus oder an, sondern dient – ganz traditionell im Übrigen – als Metapher für Wahrheit. Einerseits ist es selbstreferentiell, andererseits hat es Verweischarakter. "Wo Kunst", so notierte Adorno in seiner Ästhetischen Theorie, "die gesellschaftlichen Zwänge reflektiert, in die sie eingespannt ist, und dadurch den Horizont von Versöhnung freilegt, ist sie Vergeistigung." Darin, so meine ich, könnte das utopische oder sagen wir einfach positive Potenzial von Refraction House liegen. Als sich Kuballs Konzeption in situ einlöste, wurden durchaus Antworten auf Fragen möglich, inwieweit ein der Bildlichkeit beraubtes Licht, dessen Quelle und Sujet die Synagoge war, den von Adorno zitierten "Horizont von Versöhnung" in unserem Bewusstsein zu verankern vermag. Und auch eine Antwort auf die Frage schien möglich, inwieweit die Ästhetik des Immateriellen die ubiquitären Strategien des Vergessens und Verdrängens konterkarieren kann. So waren Anstöße gegeben und positive Reaktionen ließen nicht auf sich warten, aber Nachhaltigkeit blieb auch in diesem Fall an ständige Präsenz gebunden. Dennoch überdauern ephemere Werke wie Refraction House in der Erinnerung und bewahren in der Vergegenwärtigung des zeitlich begrenzten Ereignisses jenes suggestive Moment, in welchem sich das Ästhetische gleichsam als Potenzialität manifestiert. Denn darum geht es hier: eine erfahrbare Situation auf Zeit zu schaffen, die vor allem auch im Nachhinein, das heißt in der Erinnerung zu einem starken und herausfordernden Bild gerinnt, auf Dauer im Gedächtnis wirksam ist und sich nicht verbraucht, weil im ephemeren Charakter der Arbeit die Gefahr gebannt erscheint, sich durch Gewöhnung und Dauer rasch zu erschöpfen.

Refraction House ist eine kühle Arbeit, eine Arbeit, die mit einfachen Mitteln eine Richtungsänderung des Denkens auslöste und die zugleich die Bedingungen ihres Entstehens an einem der Kunst fremden Ort thematisierte. Die Einladungskarte machte das nachvollziehbar und offenbarte zugleich, was das gleißende Licht verbarg. Der Raum der ehemaligen Synagoge erschien nicht wie ein Ort kultischer Restitution, sondern wie eine nach außen gekehrte Erinnerungswerkstatt. So basierte die temporäre Realisierung von Refraction House auf einer bestechenden Konzeption. Die Erfahrungen vor Ort bestätigten, dass sich Mischa Kuballs Erwartungen einlösten. Der besondere Rang dieser wichtigen Arbeit, die in Fotos und Texten überliefert ist, hat in den letzten Jahren noch an Prägnanz und Evidenz gewonnen und das scheint für ihr Überdauern in zukünftiger Vergangenheit zu sprechen. Die Verschränkung von Zeitgebundenheit und Zeitlosigkeit, von historischer Reminiszenz und fortdauernder Wirksamkeit ist dem Künstler mit Refraction House auf überzeugende Weise gelungen. Das war 1994 vielleicht so noch nicht absehbar, bestätigt sich indessen 12 Jahre später sehr nachdrücklich. In: ... in progress: Mischa Kuball Projekte/Projects 1980-2007. Hg.: Florian Matzner. ZKM, Zentrum für Neue Kunst Karlsruhe 2007, S. 59-80.

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