CNN
2009

Photo: David Ertl

Photo: David Ertl
CNN begann 1980 als weltweit erster Sender rund um die Uhr Nachrichten auszustrahlen. Das damals neue Sendeformat schaltete den Informationsfluss auf Dauer. Es setzte auf Live-Übertragungen und die Erfahrung von Weltgeschehen und Politik in Echtzeit. CNN lancierte Formate der Unmittelbarkeit und Simultaneität, die ein größeres Maß an Informiertheit, Aufklärung und Objektivität versprachen. Der Sender konnte sich vor allem seit dem Golfkrieg 1991 weltweit durchsetzen, als, so sagt man, das Kriegsgeschehen zum medialen Event wurde. Das Chaos der Krisengebiete, militärische Eingriffe ließen sich durch Satellitentechnologie und nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit den Militärs im Wohnzimmer verfolgen. Der Sender machte den Ausnahmezustand zum Alltag. CNN prägt wie kaum ein Sender die transnationale Ikonografie von Kriegsberichterstattungen und ist synonym geworden mit einem westlichen Blick auf politische Ereignisse. CNN ist gerade deswegen äußerst verdächtig, es ist Ziel von Medienskepsis und Anfeindungen.
Mischa Kuballs Arbeit setzt sich mit dieser Repräsentationskritik auseinander. Auf einem Aktenschrank aus Stahl befindet sich ein Fernseher, der den CNN-Livestream wiedergibt. Der Bildschirm ist mit einer schwarzen Plexiglas-Blende verdeckt, in die das ikonische Logo des Senders eingefräst ist. Die Arbeit wird in einer Nische präsentiert, die mit einer Fototapete ausgekleidet ist und das Abbild einer Regalwand zeigt. Das Programm lässt sich durch diese Schablone nur erahnen, doch der Schriftzug ruft unweigerlich bestimmte Bildeindrücke hervor. In einer Lade des Schranks befindet sich eine Audioanlage, die mehrere übereinandergelagerte Podcasts des Senders wiedergibt. Somit sind visuelle und auditive Informationen höchstens fragmentarisch wahrnehmbar – einerseits durch Zensur, andererseits durch ein unfokussiertes Zuviel an Informationen. Dabei steht die formale, administrative und klinische Schlichtheit der Skulptur dem zu erahnenden Chaos entgegen. Die Arbeit verhandelt so eine gesteigerte Informationsflut und das Problem ihrer Kanalisierung und Normierung entlang einer Corporate Identity. Sie verweist auf das ethische Ungleichgewicht zwischen politischer Komplexität und ihrer medienindustriellen Standardisierung.
Baptist Ohrtmann