light_poesis

2023

Spiegel sind reflektierende Oberflächen, die ein seitenverkehrtes Bild dessen, was sich vor ihnen abspielt, wiedergeben – ein realistisches, jedoch gleichsam virtuelles Bild, das Bestehendes verdoppelt, verfremdet, fragmentiert. Der Spiegel selbst bleibt Abstraktion, immer verfügbar und damit zeitlos. Die Spiegelung in ihm jedoch präsentiert sich als flüchtige Instanz, verankert in der Zeit jenseits der Dimension des konkreten Raums.

Für seine Ausstellung light_poesis im Skulpturenpark Waldfrieden öffnet Mischa Kuball zwei Pavillons, die sich harmonisch in die Umgebung einfügen, über neue Sichtachsen und Spiegelungen von innen nach außen und außen nach innen. Seine eigens für den Ort konzipierte Installation verbindet, was wir sonst als voneinander getrennt erleben: gestaltete Architektur und umgebende Natur. Spiegelskulpturen und Leuchtkörper schaffen immaterielle Verbindungslinien zwischen den durch Glasscheiben getrennten Arealen und machen die Dimensionen von Raum und Zeit neu erfahrbar. Schlanke Stelen im Ausstellungsraum sowie eine einzelne draußen verbreiten ein pulsierendes Licht, das an das sich verändernde Tageslicht angepasst ist und die winterlichen Übergänge von Tag zu Nacht akzentuiert. Rotierende Spiegelscheiben wiederum lassen die außen liegende Natur als virtuelles Bild in den Raum treten, dynamisieren und parzellieren es. Je dunkler es wird, desto mehr scheint die gläserne Wand der Pavillons zu einer Zone des Übergangs zu werden, zu einer Membran, die Durchlässigkeit schafft und den Blick in die Natur intensiviert.

Poesis ist für Platon das, was etwas aus „dem Nichtssein ins Sein“ bringt, eine Form der Nachahmung der sinnlichen Welt. In diesem Fall ist es das (sich spiegelnde) Licht, das die spezielle Erfahrung des Innen- und Außenraums möglich macht, das aber auch dem Publikum Zugang zu einer neuen Erkenntnis verschafft.